Shawn Conley Sweeney
28. April 2025

4-Tage-Woche: eine Flexibilisierung der Arbeitswelt?

Die 4-Tage-Woche als Arbeitszeitmodell: Vorteile nutzen, Risiken vermeiden – so gelingt die Einführung in Ihrem Unternehmen.

Die Vier-Tage-Woche ist mehr als ein Trend – sie entwickelt sich zum strategischen Vorteil für HR. Eine Studie der Universität Münster zeigt: Mitarbeitende berichten nach der testweisen Umstellung von besserer Gesundheit, höherer Zufriedenheit und stabiler Produktivität. Über 70 Prozent der teilnehmenden Unternehmen wollen das Modell beibehalten. Doch das Modell hat auch Nachteile. Welche sollten Sie kennen? Und wie setzen Sie die 4-Tage-Woche in Ihrem Unternehmen praktisch um? In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Sie Ihr Unternehmen auf das flexible Arbeitsmodell vorbereiten.

4-Tage-Woche: Welche Vor- und Nachteile gibt es?

Gezielt und gut durchdacht umgesetzt, profitieren sowohl Ihre Mitarbeitenden als auch Ihr Unternehmen von der 4-Tage-Woche. Wenn Unternehmen vom neuen Arbeitsmodell nach einem Test frustriert Abstand nehmen, liegt das meist an strategischen Fehlern in der Kommunikation und Organisation.

Vorteile für Arbeitgebende und Mitarbeitende

  • Mehr Freizeit, bessere Balance: Ihre Mitarbeitenden erhalten einen zusätzlichen freien Tag. Sie nutzen diese Zeit für Familie, Freunde oder eigene Projekte. Das steigert die Lebensqualität und fördert eine gesunde Work-Life-Balance.
  • Gesundheit fördern: Eine verkürzte Arbeitszeit senkt das Stressniveau, schafft Raum für Erholung und reduziert das Risiko für Burnout oder Depressionen. Studien aus Großbritannien zeigen: 71 % der Mitarbeitenden in einer 4-Tage-Woche sind weniger Burnout-gefährdet.
  • Fehlzeiten senken: Gesündere und zufriedenere Mitarbeitende fehlen seltener. Das führt zu stabileren Teams und einer zuverlässigeren Arbeitsorganisation.
  • Produktivität steigern: Wer erholt zur Arbeit kommt, liefert bessere Ergebnisse. Microsoft Japan, beispielsweise, steigerte in einem Pilotprojekt mit der 4-Tage-Woche die Produktivität seiner Teams um fast 40 %.
  • Kosten sparen: Weniger Nutzung der Büros reduziert Ausgaben für Strom, Reinigung und Wartung. Wenn Mitarbeitende häufiger mobil arbeiten, können freie Flächen effizienter genutzt werden – etwa durch interne Umnutzung, flexible Desk-Sharing-Modelle oder sogar zeitweise Untervermietung an Dritte. Das wirkt sich nicht nur wirtschaftlich, sondern auch positiv auf Ihren ökologischen Fußabdruck aus.
  • Arbeitgebermarke stärken: Laut Hans-Böckler-Stiftung wünschen sich 81 % der Vollzeitbeschäftigten eine 4-Tage-Woche mit weniger Wochenarbeitszeit. Vor allem jüngere Talente achten auf innovative Arbeitsmodelle. Wer hier mutig vorangeht, verbessert seine Attraktivität als Arbeitgeber.
  • Gleichberechtigung fördern: Arbeitsforscher Philipp Frey vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sieht in der Vier-Tage-Woche auch eine Chance für mehr Gleichberechtigung: Bisher übernehmen häufig Frauen den Großteil der familiären Verantwortung und reduzieren deshalb ihre Arbeitszeit. Wenn jedoch auch Männer durch verkürzte Arbeitswochen mehr Zeit für Familie und Kinder hätten, könnten Frauen beruflich stärker einsteigen.
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Herausforderungen und mögliche Nachteile

  • Arbeitslast richtig steuern: Weniger Arbeitstage bedeuten nicht automatisch weniger Aufgaben. Fehlt eine klare Struktur, geraten Teams schnell unter Druck. Sie müssen Aufgaben gezielt priorisieren und Rollen klar definieren.
  • Organisation neu denken: Wenn Mitarbeitende seltener im Büro oder im Homeoffice sind, schrumpft das Zeitfenster für teaminterne Besprechungen. Sie müssen Abläufe, Besprechungsroutinen und Verantwortlichkeiten überarbeiten. Das erfordert Zeit und Offenheit für neue Denkweisen.
  • Personalbedarf steigt: In Branchen mit hohem Service-Level reicht das bestehende Team oft nicht aus, wenn alle eine reduzierte Arbeitswoche in Anspruch nehmen möchten. Sie benötigen zusätzliche Mitarbeitende, die allerdings höhere Personalkosten verursachen.
  • Ungleichheit vermeiden: In einigen Abteilungen lässt sich das Modell leichter umsetzen als in anderen. Während die Umsetzung im Büro meist leicht möglich ist, sieht es in der Produktion aus. Achten Sie auf faire Lösungen, um Spannungen und Frust zu vermeiden.

5 praxisnahe Umsetzungsmodelle für die 4-Tage-Woche

Wie können Sie hohe Produktivität und Arbeitsflexibilität in Einklang bringen? Wie lässt sich die 4-Tage-Woche wirtschaftlich etablieren. In der Praxis dominieren in Deutschland bisher Modelle, die auf klassischer Teilzeitarbeit basieren. Doch es gibt Alternativen.

1. 100-80-100-Modell:

Ihre Mitarbeitenden erhalten 100 % Gehalt für 80 % der regulären Arbeitszeit – vorausgesetzt, sie erreichen weiterhin 100 % der Produktivität. Dieses Modell wurde 2018 vom neuseeländischen Unternehmen Perpetual Guardian erstmals erfolgreich getestet. In Deutschland gehört es inzwischen zu den beliebtesten Ansätzen bei der Einführung der 4-Tage-Woche, auch wenn in der Praxis verschiedene Varianten Anwendung finden.

2. Belgisches Modell:

Die Wochenarbeitszeit bleibt konstant, wird jedoch auf vier statt fünf Tage verteilt. Ihre Mitarbeitenden arbeiten also länger pro Tag, ohne Gehaltseinbußen. In Belgien ist dieses Modell bereits gesetzlich verankert.

3. Wahlarbeitszeit mit vollem Lohnausgleich

Sie ermöglichen individuelle Arbeitszeitmodelle – und garantieren trotzdem das volle Gehalt. Das schafft maximale Flexibilität für Ihre Belegschaft.

4.Wahlarbeitszeit mit angepasstem Lohn:

Ihre Mitarbeitenden können ihre Arbeitszeit flexibel anpassen, allerdings orientiert sich das Gehalt dann an der tatsächlich geleisteten Stundenzahl.

5. Teilzeitmodell mit angepasstem Lohn:

Die 4-Tage-Woche ist auch als klassische Teilzeitoption denkbar. Ihre Mitarbeitenden reduzieren ihre Arbeitszeit und erhalten dementsprechend ein angepasstes Gehalt.

Personalwesen 2020

Personalwesen 2020 – Strategien und HR Tools der Zukunft

Hier erfahren Sie, mittels welcher Strategien mindsquare ganz praktisch an das Thema Fachkräftemangel im IT-Bereich herantritt.

4-Tage-Woche in Deutschland – was denken Beschäftigte?

71 % der Beschäftigten in Deutschland würden es begrüßen, wenn Arbeitgeber das „belgische Modell“ anbieten. Zu dem Ergebnis kommt eine aktuelle Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL und ntv. 59 % der Erwerbstätigen würden sich aktiv für eine 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich entscheiden, wenn sie die Wahl hätten.

Derzeit gibt es keine konkreten gesetzlichen Vorstöße zur 4-Tage-Woche in Deutschland. Daher liegt es an Ihnen als HR-Verantwortliche, das Thema proaktiv anzugehen. Viele Unternehmen wie Frische Fische, Media Broadcast und BRAINEFFECT testen bereits neue Arbeitsmodelle – das können auch Sie tun.

So bereiten Sie Ihr Unternehmen auf das neue Arbeitszeitmodell vor

Starten Sie mit einer Mitarbeiterbefragung: Wie groß ist das Interesse an einer 4-Tage-Woche in Ihrer Belegschaft? Im nächsten Schritt prüfen Sie, welche Rahmenbedingungen erfüllt sein müssen, um eine Testphase zu ermöglichen: Wie müssen Arbeits- und Kommunikationsprozesse angepasst werden? Wie müssen Verantwortlichkeiten verteilt werden? Begleiten Sie die Pilotphase mit klaren Zielen und einer systematischen Auswertung.

Beginnen Sie idealerweise in einer einzelnen Abteilung, um erste Erfahrungen zu sammeln. So können Sie konkrete Learnings auswerten und gezielt Anpassungen vornehmen. Auf dieser Basis lässt sich das Modell sukzessive im gesamten Unternehmen ausrollen.

Entscheiden Sie im Anschluss, ob das Modell zu Ihrer Organisation passt – und ob es dauerhaft eingeführt werden kann. Wichtig: Betrachten Sie die 4-Tage-Woche nicht isoliert. Auch andere flexible Arbeitszeitmodelle wie Gleitzeit oder hybrides Arbeiten sind attraktive Optionen, um Ihre Employer Brand zu stärken und die Zufriedenheit in Ihrer Belegschaft zu erhöhen.

Einführen der Kurzarbeit im öffentlichen Dienst

Zum aktuellen Zeitpunkt spielt die Kurzarbeit eine große Rollen in vielen Unternehmen. Auch der öffentliche Dienst ist von diesem Thema betroffen.

Fazit: Es wird höchste Zeit, Arbeitszeit neu zu denken

In Belgien, Island und Großbritannien ist die verkürze Arbeitswoche bereits sehr viel verbreiteter als in Deutschland. Und der Blick über die Landesgrenzen zeigt: Eine 4-Tage-Woche führt nicht ins wirtschaftliche Verderben, sondern kann sich vielfältige positive Effekte haben, unter anderem auf Mitarbeiterbindung und Produktivität.

Als HR-Verantwortliche liegt es an Ihnen, diese Transformation der Arbeitswelt auch in Deutschland Realität werden zu lassen. Wählen Sie ein passendes Modell, beziehen Sie Ihr Team ein – und machen Sie Ihr Unternehmen fit für eine Arbeitswelt, in der Leistung, Lebensqualität und Flexibilität kein Widerspruch mehr sind.

Shawn Conley Sweeney

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Als Management- & Technologieberater unterstütze ich HR-Abteilungen von der strategischen HR-IT-Planung über die Tool-Auswahl bis hin zur Implementierung dabei, HR-Prozesse effizienter zu gestalten und mit der passenden Software zu vereinfachen.

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