HR-Systemlandschaften: So vermeiden Sie den Flickenteppich!
Endlich schreitet die Digitalisierung im HR-Bereich massiv voran. Druck kommt dabei von allen Seiten: Millennials, die ohne digitale Angebote einen anderen Arbeitgeber bevorzugen. Die Belegschaft, die sich fragt, warum der langsamste Prozess in der gesamten Urlaubsvorbereitung der Antrag beim Arbeitgeber ist. Der Gesetzgeber mit immer höheren Ansprüchen an Datenschutz und Durchsetzung der Arbeitsgesetze. Und nicht zuletzt das Corona-Virus, das plötzlich Millionen Arbeitnehmer in Deutschland ins Home-Office schickt. Eine häufige Aussage im Rahmen der Digitalisierung ist dabei: „Wir müssen den Flickenteppich unserer HR-Lösungen endlich vereinheitlichen!“. Erfahren Sie hier, worauf Sie in Ihrer HR-Systemlandschaft unbedingt achten sollten.
HR-Systemlandschaften und der Trugschluss einer All-In-One Lösung
Meine Kunden streben oft nach möglichst „schlanken“ Lösungen. Es sollte alles in einem System abgebildet werden. Das vermeidet Schnittstellen und deren oft nervige und kostenintensive Wartung.
Um es vorwegzunehmen: Wenn es tatsächlich möglich ist, bin ich ein großer Freund von integrierten Lösungsansätzen. Da die Kunden nach der ultimativen All-In-One-Lösung streben, wissen die Softwarehersteller, ihre Lösungen entsprechend zu vermarkten. Daher werben auch viele HR-Suiten heute damit, eine solche All-In-One-Lösung zu sein. In der Realität kommen allerdings die wenigsten Kunden mit wirklich einer Lösung aus. Das scheitert in den meisten Fällen schon daran, dass die neuen Cloud-Suiten keine Abrechnung beherrschen und die klassischen Abrechnungssysteme keine passablen Möglichkeiten für z. B. Recruiting bieten.
Wo liegt die Ursache für „verteilte HR-Lösungslandschaften“?
Laut meiner Erfahrung gibt es zwei wesentliche Gründe, die zu einer verteilten Landschaft führen:
Der erste Grund ist schlicht und einfach mangelndes Knowhow im Umgang mit HR-Systemlandschaften. Selten gibt es Architekten im Unternehmen, die sich mit der Orchestrierung der verschiedenen Systeme befassen. Noch seltener sind diese ebenfalls für HR-Systeme zuständig. Hinzu kommen Themen wie Unternehmenszukäufe oder neue Mitarbeiter, die bereits Erfahrungen mit einem bestimmten Programm haben und dieses nun mit in die Organisation einbringen. Auch darüber entstehen stetige Erweiterungen des Flickenteppichs.
Der zweite Grund ist, dass die Softwarehersteller gar kein echtes Interesse an einer All-In-One-Lösung haben. Gut: Interesse vielleicht schon – sie haben jedoch wirtschaftlich gesehen keine Wahl. Die Digitalisierung rast wie ein D-Zug und die Lösungen werden besser und besser. Daher haben sich zwei Modelle durchgesetzt, die den Markt bestimmen:
- Zum einen die Spezialisten: Mit klarem Fokus auf ein Thema haben sie eine liebevolle und umfangreiche Software im Angebot, die genau ein Themengebiet oder einen Prozess exzellent abbildet (z. B. Recruiting, Reisen, Abrechnung o. Ä.).
- Zum anderen gibt es die großen Suiten wie SuccessFactors oder Workday. Sie bilden die Kernprozesse bis zu einem gewissen Reifegrad im eigenen System ab und ermöglichen dann Spezialisten, sich in die Lösung zu integrieren (via Schnittstellen). So schaffen sie es, für die Kunden eine strategische Bedeutung zu erlangen und dennoch in einzelnen Prozessen eine hohe Qualität bieten zu können.
De facto ist es nicht realistisch, dass ein einzelner Anbieter alle fachlichen Anforderungen im HR zufriedenstellend abdeckt. Die steigende Komplexität und der wachsende Anspruch schaffen mehr Spezialisten, die sich dann mit ihren spezialisierten Lösungen in die HR-Systemlandschaft integrieren lassen. So leid es mir tut, Ihre Hoffnungen an dieser Stelle vielleicht zerschlagen zu müssen: Aus diesen Gründen ist die All-In-One-Lösung für mich ein Trugschluss.
Schnittstellen betreiben – aber richtig!
Stellen Sie sich vor, der Flickenteppich hat eine zentrale Komponente. An dieser werden alle Fäden zusammengeführt und verwaltet. Eine klassische Middleware, wie es sie schon Jahren und Jahrzenten gibt – entwickelt, um verschiedene Systeme miteinander zu verbinden. Moderne Middleware-Lösungen wie die SAP Cloud Integration (CPI) benötigen kaum noch Programmierarbeit und bilden auch ältere Kommunikationsprotokolle ab. Über moderne Schnittstellen nach RESTful Standard lassen sich Systeme oft einfach und schnell verbinden. Zusätzlich schafft die Middleware Sicherheitskonzepte und ermöglicht Zertifikate, Verschlüsselung u. v. m., um den hohen Datenschutz- und Sicherheitsanforderungen gerecht zu werden.
Die Abbildung zeigt eine aufgeräumte Systemlandschaft, in der alle Systeme miteinander kommunizieren können. Natürlich ist das in der Realität komplexer. Die Komplexität liegt allerdings in der Middleware und kann dort verwaltet werden. Die Systeme selbst können über vielfältige Möglichkeiten (CSV, JSON, iDOC, XML usw.) ihre Daten anbieten oder konsumieren. So kann jedes System seine favorisierte und am besten integrierte Schnittstellentechnologie verwenden. In der Middleware lassen sich oft auch Synergieeffekte nutzen, um die Übersetzungen der Daten möglichst einfach zu gestalten.
Eine gute HR-Landschaft? Am Ende eine Frage der Ressourcen
Meiner Meinung nach ist es in heutigen HR-Systemlandschaften nicht mehr möglich, auf geeignete Schnittstellenlösungen zu verzichten. Alleine die Organisationsdaten werden meist von vielen Systemen benötigt. Ob es Ihnen am Ende gelingt, einen Flickenteppich zu vermeiden oder wieder abzubauen, liegt an den verfügbaren Ressourcen. Ist das Unternehmen beispielsweise bereit, einen Architekten für dieses Thema einzustellen und/oder auszubilden? Die Erfahrung zeigt, dass es sich für Unternehmen lohnt und die Wartung für viele Insellösungen weitaus kostspieliger ist. Klar ist auch: Es werden nicht weniger Systeme – und erst recht nicht weniger Daten.